Rechtsanwälte und Notar Dr. Lippmann, Hennigs & Coll. Hannover Laatzen

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Das Thüringer Oberverwaltungsgerichts (OVG) hat in einem wegen Unterrichtsausfall angestrengten Eilrechtsstreit die von neun Schülern und Schülerinnen erhobenen Beschwerden zurückgewiesen. Sein Fazit: Herrscht Lehrermangel, genügt Unterricht im Rahmen des Möglichen. 


Schüler befürchten Nachteile

Die Schüler und Schülerinnen besuchen die 8. Klasse des französisch-bilingualen Zweigs eines staatlichen Gymnasiums. Durch den Ausfall von Schulstunden wegen Lehrermangel sehen sie sich in ihrem durch das Grundgesetz und die Thüringer Verfassung geschützten Recht auf Bildung verletzt. Insbesondere befürchten sie, dass sie wegen des Stundenausfalls in den bilingual unterrichteten Fächern die Anforderungen für den Erwerb des Europäischen Exzellenzlabels „CertiLingua“ verfehlen werden und wollen Nachteile für die besondere Leistungsfeststellung in der Klassenstufe 10 und die spätere Abiturprüfung abwenden. 

Anspruch nicht glaubhaft gemacht

Im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens begehrten sie deshalb, den Freistaat Thüringen zu verpflichten, den Unterricht nach dem ungekürzten Stundenplan (sog. Rahmenstundentafel) abzusichern. Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht (VG) hat den Eilantrag abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das OVG nun zurückgewiesen. Die Antragsteller und Antragstellerinnen hätten keinen Anspruch auf Unterricht entsprechend dem ungekürzten Stundenplan der 8. Klasse glaubhaft gemacht. 

Kein Anspruch auf bestimmte Gestaltung des Unterrichts

Das Zertifikat CertiLingua gehöre nicht zum Bildungsgang des Gymnasiums im bilingualen Zweig und werde ausschließlich im außerschulischen Bereich vergeben. Der bilinguale Zweig stelle demgegenüber in Thüringen ein rechtlich anerkanntes Schulprofil mit dem Ziel der Begabtenförderung dar. Aber auch daraus folge kein Anspruch auf Erteilung unverkürzten Unterrichts. Der Staat komme seiner Pflicht aus dem verfassungsrechtlich abgesicherten Recht auf Bildung nach, wenn er das Schulwesen so plane und organisiere, dass allen jungen Bürgern nach ihren Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten offen stehen. Bei der Festlegung der Schulorganisation, der Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenstände habe der Staat eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, die auch im Hinblick auf die personelle und sächliche Ausstattung immer unter dem Vorbehalt des Möglichen stehe und der elterlichen Bestimmung entzogen sei. Eltern und Schüler könnten daher keine bestimmte, ihren Wünschen entsprechende Gestaltung des Schulunterrichts verlangen. Anlass zu gerichtlichem Einschreiten sei erst gegeben, wenn es die Schulverwaltung in Fällen von Unterrichtsausfall unterlasse, zeitnah die erforderlichen Maßnahmen im Rahmen des Möglichen zu ergreifen. 

Aufgrund des Vortrags des Freistaats hatte das OVG keinen Zweifel, dass die Schulverwaltung alle Anstrengungen unternehme, um den in den Rahmenstundentafeln vorgesehenen Unterricht so weit wie möglich abzudecken. Da eine Französischlehrerin an die Schule befristet abgeordnet sei, könne den Antragstellern und Antragstellerinnen zumindest für den Zeitraum der Abordnung der bilinguale Unterricht wieder erteilt werden. 

Es sei auch davon auszugehen, dass der in der Rahmenstundentafel vorgesehene Geographieunterricht im 2. Schulhalbjahr 2022/23 abgedeckt werden könne. Der bemängelte Unterrichtsausfall sei im Wesentlichen auf einen in Thüringen (und auch bundesweit) bestehenden erheblichen Lehrermangel zurückzuführen, dem aber nur mittelfristig bis langfristig abgeholfen werden könne. Soweit der bestehende Lehrermangel auf Versäumnisse in der Vergangenheit zurückzuführen sei, ändere dies nichts daran, dass der Antragsgegner glaubhaft gemacht habe, dass die für die Einhaltung der Rahmenstundentafeln benötigten personellen Kapazitäten aktuell nicht vorhanden seien, so das OVG in seiner Begründung. Das zeige allenfalls dringlichen Handlungsbedarf seitens des Freistaats. 

Der Beschluss ist unanfechtbar. 

Quelle | Thüringer OVG, Beschluss vom 30.1.2023, 4 EO 614/22, PM 1/23

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