Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Pflicht des Anbieters eines sozialen Netzwerks befasst, dessen Nutzung unter Pseudonym zu ermöglichen. Das Urteil befasst sich allerdings mit Altfällen vor dem 25.5.2018. Wie es mit aktuellen Fällen aussieht, sagt der BGH leider nicht ausdrücklich.
Ausgangssitutation
Die Kläger unterhalten jeweils ein Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieter und Vertragspartner für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist.
Verfahren 1
In dem einen Verfahren (Aktenzeichen III ZR 3/21) hatte der Kläger als seinen Profilnamen ursprünglich ein Pseudonym verwendet. Nachdem er auf Nachfrage nicht bestätigt hatte, dass es sich um seinen im Alltag verwendeten Namen handelt, sperrte die Beklagte sein Nutzerkonto. Sie schaltete es erst nach einer Änderung des Profilnamens wieder frei. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, Änderungen seines von ihm in dem Netzwerk verwendeten Profilnamens zu verhindern.
Verfahren 2
In dem anderen Verfahren (Aktenzeichen III ZR 4/21) gab die Klägerin als Profilnamen ebenfalls ein Pseudonym an. Ihr Nutzerkonto wurde von der Beklagten im Januar 2018 gesperrt, nachdem sie der Aufforderung, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachgekommen war. Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieser Sperrung.
So sieht es der BGH
In dem erstgenannten Verfahren hat der BGH die Beklagte verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym ändert, und dem Kläger unter Verwendung des gewählten Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren.
Nach den für diesen Fall maßgeblichen Nutzungsbedingungen muss der Kontoinhaber bei der Nutzung des Netzwerks den Namen verwenden, den er auch im täglichen Leben verwendet. Diese Bestimmung ist unwirksam, weil sie den Kläger zum Zeitpunkt ihrer Einbeziehung in den Nutzungsvertrag der Parteien entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte. Sie ist mit dem Grundgedanken nicht zu vereinbaren, dass der Diensteanbieter die Nutzung der Telemedien anonym oder unter Pseudonym ermöglichen muss, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Es ist der Beklagten zwar nicht zumutbar gewesen ist, die Nutzung des Netzwerks zu ermöglichen, ohne dass der jeweilige Nutzer ihr zuvor – etwa bei der Registrierung – im Innenverhältnis seinen Klarnamen mitgeteilt hatte. Für die anschließende Nutzung der von ihr angebotenen Dienste unter Pseudonym ist die Zumutbarkeit jedoch zu bejahen.
Die Unwirksamkeit der Bestimmung zur Klarnamenpflicht führt dazu, dass die Bestimmung ersatzlos wegfällt. In der Folge hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, das Netzwerk unter einem Pseudonym zu nutzen.
In dem anderen Verfahren hat der BGH die Beklagte verurteilt, das Nutzerkonto der Klägerin freizuschalten und der Klägerin unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen dieses Kontos zu gewähren.
Die Beklagte kann von der Klägerin nicht verlangen, ihren Profilnamen in ihren wahren Namen zu ändern. Die Bestimmung zur Klarnamenpflicht in den hier maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten ist ebenfalls unwirksam.
Quelle | BGH, Urteile vom 27.1.2022, III ZR 3/21 und III ZR 4/21, PM 13/22 vom 27.1.2022