Rechtsanwälte und Notar Dr. Lippmann, Hennigs & Coll. Hannover Laatzen

Dr. Lippmann, Hennigs & Coll.

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Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat klargestellt: Bei der Bestimmung der Eigenart eines durch Bebauungsplan festgesetzten Gebiets sind die bei der Planung vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisse zwar als Kontext der Planung zu berücksichtigen. Zielt der planerische Wille aber gerade auf Veränderung der bisherigen städtebaulichen Situation ab,  gebührt ihm bei der Bestimmung der Eigenart des Baugebiets der Vorrang. Diese etwas abstrakt klingende Vorgabe des Gerichts hatte für einen Antragsteller konkrete Folgen. Sie bedeutete, dass er sich gegen den Wegfall der völligen Wohnruhe durch neue Bebauung nicht wehren konnte. 


Der Antragsteller hatte sich gegen eine einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung für zwei Mehrfamilienhäuser gewandt, da diese sein benachbartes Wohngrundstück unzumutbar beeinträchtigten. Die Stadt hatte den Bebauungsplan geändert und die rückwärtige Baugrenze, die Vorgabe zur Geschossigkeit und die Geschossflächenzahl aufgehoben. Offene Bauweise und Grundflächenzahl blieben bestehen. Neu festgesetzt wurde eine höhere Gebäudehöhe. Ziel der Planung war eine Nachverdichtung bereits bebauter Wohngrundstücke, um dem Leitbild des Vorrangs der Innenentwicklung Rechnung zu tragen. 

Dem Nachbarn wurde im vereinfachten Verfahren die Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern auf dem Vorhabengrundstück erteilt. Insgesamt zwölf Stellplätze sollten entstehen. Die Zufahrt zu einigen dieser Stellplätze war entlang der östlichen, dem Antragstellergrundstück zugewandten Grundstücksgrenze vorgesehen. Das wollte der Antragsteller nicht hinnehmen. 

Das OVG: Die Anordnung der Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück verletzt nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Zwar können solche Vorhaben unzulässig sein, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets in diesem selbst oder in seiner Umgebung unzumutbar sind. Hierbei sei insbesondere die örtliche Situation zu betrachten, in die ein Gebiet „hineingeplant“ worden ist. Wichtig sei auch der jeweilige Planungswille der Gemeinde, soweit dieser in den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen Begründung zum Ausdruck gekommen ist. Dabei sind die bei der Planung vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisse zwar als „Kontext“ der Planung zu berücksichtigen. Zielt der in den Planfestsetzungen zum Ausdruck gekommene planerische Wille – wie hier – aber gerade auf Veränderung der bisherigen städtebaulichen Situation ab, gebührt ihm bei der Bestimmung der Eigenart des Baugebiets der Vorrang. Einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme erkannte das Gericht unter Berücksichtigung dieser Vorgaben daher hier nicht. 

Quelle | OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.2.2022, 1 ME 186/21

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