Der Arbeitnehmer muss zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden erstens darlegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat.
Zweitens muss der Arbeitnehmer vortragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat, da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss. Diese vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht, ein System zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, nicht verändert.
Das war geschehen
Der Kläger war als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten beschäftigt, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt. Seine Arbeitszeit erfasste der Kläger mittels technischer Zeitaufzeichnung, wobei nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht jedoch die Pausenzeiten aufgezeichnet wurden. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses ergab die Auswertung der Zeitaufzeichnungen einen positiven Saldo von 348 Stunden zugunsten des Klägers. Mit seiner Klage hat der Kläger Überstundenvergütung von über 5.000 Euro brutto verlangt. Er hat geltend gemacht, er habe die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet. Es sei nicht möglich gewesen, Pausen zu nehmen, weil sonst die Auslieferungsaufträge nicht hätten abgearbeitet werden können. Die Beklagte hat dies bestritten.
So sahen es die Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat der Klage stattgegeben. Es hat gemeint, durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, werde die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert. Die positive Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeitgeberseitige Veranlassung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da die Beklagte ihrerseits nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Kläger dargelegt habe, sei die Klage begründet.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat das Urteil des ArbG geändert und die Klage – mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden – abgewiesen.
Bundesarbeitsgericht: Pauschale Behauptung reicht nicht aus
Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das LAG hatte richtig erkannt, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken ist. Diese ist zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) und gemäß der Charta der Grundrechte der EU (Art. 31 GRCh) ergangen. Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH beschränken sich diese Bestimmungen darauf, Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sie sind indes grundsätzlich nicht auf die Vergütung der Arbeitnehmer anzuwenden. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit wirke sich deshalb nicht auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess aus. Hiervon ausgehend hat das LAG zutreffend angenommen, der Kläger habe nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Die bloße pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten genügt hierfür nicht. Das Berufungsgericht konnte daher offenlassen, ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung des Klägers, er habe keine Pausen gehabt, überhaupt stimmt.
Quelle | BAG, Urteil vom 4.5.2022, 5 AZR 359/21, PM 16/22; EuGH, Urteil vom 14.5.2019, C-55/18 – [CCOO]