Rechtsanwälte und Notar Dr. Lippmann, Hennigs & Coll. Hannover Laatzen

Dr. Lippmann, Hennigs & Coll.

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Ein Kindergeldanspruch wegen einer Berufsausbildung des Kindes ist nicht mehr möglich, wenn die Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht nur unterbrochen, sondern beendet wurde. Handelt es sich aber um eine nur vorübergehende Erkrankung und ist das Kind nachweislich weiter ausbildungswillig, ist es nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) ggf. als ausbildungsplatzsuchendes Kind zu berücksichtigen. 


Zum Hintergrund: Für volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommt nach dem Einkommensteuergesetz (§ 32 Abs. 4 EStG) ein Kindergeldanspruch u. a. dann in Betracht, wenn sie

    • sich in einer Berufsausbildung befinden,
    • sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemühen oder
    • sich wegen einer Behinderung nicht selbst unterhalten können. 

Das war geschehen

Die im Februar 1994 geborene Tochter begann im Februar 2016 eine zweijährige schulische Ausbildung. Die Familienkasse gewährte der Mutter daher zunächst Kindergeld. Im Herbst 2017 erfuhr die Familienkasse, dass die Tochter schon im März 2017 von der Schule abgegangen war und ab September eine Vollzeitbeschäftigung aufgenommen hatte. Daher hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab April 2017 auf. In der Folge versuchte die Mutter durch verschiedene Atteste nachzuweisen, dass ihre Tochter die Schule nur wegen einer Erkrankung nicht mehr weiter besuchen konnte. Doch der Familienkasse genügte dies nicht. Sie forderte eine alle sechs Monate zu erneuernde ärztliche Bescheinigung, aus der sich die Erkrankung und deren voraussichtliches Ende ergeben. Außerdem hätte die Tochter schon im April 2017 erklären müssen, dass sie sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt um eine Berufs- oder Schulausbildung bewerben werde. 

Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg für die Monate April bis September 2017 statt. Dabei ging es davon aus, dass sich die Tochter weiter in einer Ausbildung befunden habe. Der Bundesfinanzhof (BFH) sah das aber anders. 

Eine Berücksichtigung als „in Ausbildung befindliches Kind“ setzt voraus, dass das Ausbildungsverhältnis weiter besteht. Hieran fehlt es, wenn das Kind (wie im Streitfall) während der Ausbildung erkrankt und das Ausbildungsverhältnis durch Abmeldung von der Schule, Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet wird. In einem solchen Fall kommt eine Berücksichtigung als ausbildungsplatzsuchendes Kind in Betracht. Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen anzutreten, sind strenge Voraussetzungen zu beachten: So darf die gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern. Zudem ist die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den entsprechenden Zeitraum nachzuweisen. 

Beachten Sie | Als Nachweis sind mehrere Beweismittel möglich. Es wird aber regelmäßig nicht ausreichen, wenn der Kindergeldberechtigte die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert, der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt und die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet. Bei voraussichtlich länger als sechs Monate andauernder Erkrankung kommt ggf. eine Berücksichtigung als behindertes Kind in Betracht. 

Quelle | BFH, Urteil vom 31.8.2021, III R 41/19, Abruf-Nr. 227445 unter www.iww.de; BFH, PM 3/22 vom 10.2.2022

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